von Cornelius Witt
Wir haben recherchiert und aufgelistet, wie viel Geld 2016 für die Flüchtlinge ausgegeben wird und wer wieviel zahlen muss. Außerdem sprachen wir mit Rechtsdezernentin Diane Jägers, die für die Flüchtlinge in Dortmund mitverantwortlich ist. Sie erklärt, warum sich die Kommunen im Stich gelassen fühlen und was sich in der Landespolitik dringend ändern muss.
Infografik: Streit ums Geld
Interview: „Fairness sähe anders aus“
Die Landesregierung soll den Kommunen endlich die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge erstatten, fordert die Dortmunder Rechtsdezernentin Diane Jägers (CDU). Ein Gespräch über klebrige Finger, beschönigte Rechenspiele und fehlende Millionen.
Langfristig werden tausende Menschen in Ihrer Stadt bleiben. Wie viele neue Kindertagesstätten, Schulen und Wohnungen braucht Dortmund?
Bis zum Sommer müssen wir 90 neue Auffangklassen bereitstellen. Außerdem brauchen wir circa 30 neue Kitas und etwa 5000 neue Wohnungen.
Schafft Dortmund das?
Es wird schwierig. In 2016 und 2017 werden vielleicht 1.500 neue Wohnungen geplant und gebaut. Die restlichen Flüchtlinge müssen in Gemeinschaftsunterkünften bleiben.
Und wie soll das finanziert werden? Müssen die Dortmunder mit Steuererhöhungen rechnen?
Ich möchte nicht soweit gehen und sagen: „Die Steuern werden erhöht, weil wir Flüchtlinge unterbringen“. Natürlich sind Steuererhöhungen ein Thema, beispielsweise wird immer wieder über eine Erhöhung der Grundsteuer nachgedacht. Aber es kann nicht sein, dass die Kommunen Kosten tragen, weil Bund und Land ihrer Verantwortung nicht nachkommen.

Diane Jägers (CDU) leitet seit 2013 das Rechtsdezernat der Stadt Dortmund. Sie wurde 1961 in Deichsende im Landkreis Cuxhaven geboren und studierte Rechts- und Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum.
Das Land hat doch erst kürzlich den Haushalt aufgestockt: Den Kommunen stehen jetzt nicht mehr 1,3, sondern zwei Milliarden Euro zur Verfügung.
Das Land NRW hätte sich von Anfang an finanziell wesentlich intensiver in der Flüchtlingsfrage engagieren müssen. Die Erstattung der Kommunen berechnete die Landesregierung mit der Gesamtzahl von 186.000 Flüchtlingen, obwohl man ganz genau wusste, dass mindestens 230.000 Flüchtlinge gekommen waren. Erst in mühsamen Verhandlungen wurden die Zahlen auf 200.000 korrigiert, zusammen mit der Zusage des Landes, im Laufe des Jahres nachzubessern. Der Spruch „die klebrigen Finger des Landes“ kommt nicht von ungefähr: Das Geld des Bundes kommt nicht immer eins zu eins bei uns an, sondern bleibt beim Land hängen.
NRW und der Bund zahlen jeder Stadt bisher 10.000 Euro jährlich pro Flüchtling…
… und das ist viel zu wenig. Die realen Kosten liegen zwischen 15.000 und 20.000 Euro pro Flüchtling.
Aber 2017 wird ja von der jährlichen Pauschale auf ein präziseres, monatliches Erstattungssystem umgestellt, damit die Kommunen pro Flüchtling und ab dem Tag der Zuweisung erstattet werden. Da ist das Land den Kommunen entgegengekommen.
Dennoch kam diese Umstellung viel zu spät. Wir wurden zu lange ignoriert.
Der SPD-Innenminister Ralf Jäger betont oft, dass das Land NRW in der Flüchtlingskrise ein fairer Partner für Städte und Gemeinden ist.
Nein, das Land ist kein durchweg fairer Partner. Fairness sähe anders aus. Dann hätte sich das Land viel eher und intensiver selbst um die Erstversorgung der Flüchtlinge gekümmert und nicht die Kommunen um „Amtshilfe“ gebeten. Dann würden Bund und Länder die finanzielle Last tragen. Die Kommunen müssen sich auf das konzentrieren, was sie gut können: Menschen aufnehmen, sie mit Wohnungen und Sprachkursen versorgen und sie in Kitas und Schulen unterbringen. Das ist unsere Kompetenz. Fairness würde auch bedeuten, das Konnexitätsprinzip einzuhalten.
Das Konnexitätsprinzip besagt ja, dass die verantwortliche Instanz für die Finanzierung zuständig ist oder vereinfacht gesagt: „Wer bestellt, bezahlt“. Das Asylgesetz fällt unter die Bundesgesetzgebung – müssten Sie sich nicht eigentlich bei Ihren Parteikollegen in Berlin anstatt in Düsseldorf beschweren?
Ja, das haben wir auch. Der Bund hat auch darauf reagiert im Asylpaket 1. Das war ebenfalls ein sehr zäher Prozess. Der Punkt ist, wie Johannes Rau einmal gesagt hat, folgender: Die Kommune ist der Ernstfall der Demokratie. Bei unseren Kommunen kommen die Leute an, bei uns kriegen sie ein Gesicht. Bei uns müssen sie ein Dach über dem Kopf haben, mit Kleidung und Essen versorgt werden. In den Kommunen müssen die Schulen und Kitas bereit stehen. Wenn das nicht funktioniert, gerät das ganze System ins Wanken.